Die Kündigung wegen Eigenbedarf ist der häufigste Kündigungsgrund. Laut Mietrecht ist sie rechtmäßig, wenn der Vermieter die Wohnung „für sich selbst oder für eine zu seinem Hausstand gehörende Person benötigt“ (in § 573 BGB). Doch der Mieter muss nicht alles hinnehmen. Widerspruch kann bei zweifelhaften Gründen immer lohnen.
Kündigung Eigenbedarf: Was heißt „Eigenbedarf“?
Eigenbedarf ist der häufigste Grund, wieso in Deutschland ein Mietvertrag durch den Vermieter gekündigt wird. Doch was versteht man eigentlich unter „Eigenbedarf“ und darf der Vermieter dem Mieter einfach so eine Kündigung aus diesem Grund aussprechen? Wann ist sie rechtswirksam, wann unzulässig?
Allgemein gilt: Benötigt ein Vermieter die gekündigte Wohnung selbst oder für nahe Angehörige, kann er dem Mieter kündigen. Aber das BGB setzt der Eigenbedarfskündigung sehr enge Grenzen und Fristen (§§ 573 Abs. 2 Nr. 2 und 573c BGB). Beachtet der Vermieter die gesetzlichen Fristen und Vorgaben, kann sie als unwirksam erklärt werden. Voraussetzung für die Kündigung ist, dass er die Räumlichkeiten für sich oder einen Angehörigen zu privaten Wohnzwecken benötigt. Liegt dies vor, kann gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB von einem berechtigten Interesse gesprochen werden.
Je nachdem, wie lange der Mieter in der Wohnung gelebt hat und was im Mietvertrag vereinbart wurde, beträgt die Kündigungsfrist drei bis zwölf Monate. Auch wenn die Wohnung verkauft wurde, kann der neue Besitzer eine Eigenbedarfskündigung vornehmen, sobald er im Grundbuch eingetragen ist.
Eigenbedarf Kündigung: Für wen darf Vermieter kündigen?
Weiter oben im Text ist von „Angehörigen“ die Rede, für die der Vermieter – so er den Wohnraum nicht selbst benötigt – die Kündigung vornehmen kann. Die Frage die sich hier stellt, ist: wer fällt alles unter „Angehörige“?
Das Recht besagt, dass der Vermieter ausschließlich für nahe, enge Verwandte Eigenbedarf anmelden kann. Dazu zählen im Einzelnen:
- Kinder, Eltern, Enkel und Großeltern (wichtig hierbei: für diese nahen Familienangehörigen, kann die Eigenbedarfskündigung wirksam werden, ohne dass der Vermieter eine besondere persönliche Beziehung darlegen muss)
- Geschwister (BGH, Urteil vom 9. Juli 2003)
- Stiefkinder, Nichten und Neffen (BGH, Urteil vom 27. Januar 2010)
Neben diesen engen Verwandten gibt es noch weitere Personen, für die der Vermieter Eigenbedarf anmelden kann. Dies sind der Ehepartner, die Schwiegereltern, Haushalts-angestellte, Pflegepersonal und der Hausmeister. Kommt es zur Kündigung da der Vermieter die Wohnung einem entfernten Verwandten (z.B. dem Patenkind, Cousin, Schwager oder Onkel) zur Verfügung stellen möchte, ist diese Eigenbedarfskündigung nicht rechtens.
Gewerblicher Eigenbedarf: was heißt das?
Gewerblicher bzw. geschäftlicher Eigenbedarf kann bedeuten, dass der Wohnungseigentümer die Räume z.B. selbst als Büro nutzen oder seine vorhandenen Geschäftsräume im Haus erweitern will. In solchen Fällen muss der Vermieter klar darüber aufklären, welcher Nachteil ihm entstehe, wenn er die gekündigte Wohnung nicht gewerblich nutzen kann.
Seine Kündigung aus diesem Grund wäre etwa dann rechtens, wenn er sich ohne die Nutzung der Wohnung nicht um die Kindern kümmern könnte, die ebenfalls im Haus wohnen. Oder um einen schwer kranken, pflegebedürftigen Angehörigen. Dann kann laut § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB ein berechtigtes Interesse an der Kündigung bestehen.
Was die gewerbliche Nutzung einer Wohnung betrifft, die wegen Eigenbedarf gekündigt wurde, hat das BGH im März 2017 ein Grundsatzurteil gefällt. Das Urteil stärkt das Recht der Mieter. Für den Vermieter gelten bei der Kündigung demnach strengere Fristen und Vorgaben. Kommt es zur Eigenbedarfskündigung, weil der Vermieter die Wohnung für seine berufliche Tätigkeit bzw. sein Gewerbe nutzen möchte, ist jeder Fall gesondert vom Gericht zu überprüfen. Jede einzelne Instanz muss abwägen, welche Interessen überwiegen und welches Recht höher zu bewerten ist: das des Mieters oder des Vermieters.
Video: Vorgetäuschter Eigenbedarf – Schadensersatzanspruch des Mieters
Mieterrechte: gewerblicher Eigenbedarf erschwert Kündigung
Definitiv hat das Urteil vom Frühjahr dieses Jahres dafür gesorgt, dass Vermieter nicht mehr so leicht wegen gewerblichem Eigebedarf kündigen können. In dem entsprechenden Fall wurde einem Berliner die Wohnung gekündigt, da der Eigentümer diese für die eigene Büroerweiterung benötigt hätte. Dem erteilte das Gericht eine Absage.
Der gekündigte Mieter lebt seit etwa 40 Jahren in der betreffenden, 27 Quadratmeter großen Wohnung. Er sollte die Wohnung räumen, damit der Ehemann der Vermieterin die Wohnung u.a. als Aktenlager nutzen wollte. Die anderen Geschäftsräume befanden sich ebenfalls im Haus. Die Folge: dem Mieter wurde wegen Eigenbedarf gekündigt. Doch er lehnte Widerspruch beim zuständigen Gericht ein. Der BGH stellte das Recht des Mieters über das des Vermieters und urteilte: der Kündigungsgrund überwiege nicht vor den Interessen des Mieters. Der Wunsch, zusätzliche Räume für Akten zu nutzen, sei nicht ausreichend um eine Kündigung wegen Eigenbedarf vorzunehmen.
Darüber hinaus gibt es noch weitere unzulässige Gründe, die diese unwirksam machen. Dazu zählen u.a. wenn der Besitzer auch eine andere, vergleichbare Wohnung bewohnen könnte (rechtsmissbräuchlich), bei Vortäuschung von Eigenbedarf oder wenn er diesen für entfernte Familienmitglieder in Anspruch nehmen möchte.
Anders verhält es sich übrigens, wenn der Vermieter in der Wohnung künftig arbeiten UND leben möchte. Auch zu solchen Fällen äußerten sich die Richter im obigen Urteil. Demnach ist der Eigenbedarf für die berufliche Nutzung der Räumlichkeiten eher möglich, wenn der Eigentümer in jener Wohnung eben zukünftig auch selbst lebt. An diesen Grundsätzen und Leitlinien, können sich Gerichte und Instanzen bei ihren Urteilen in der Zukunft orientieren.
Kündigung der Wohnung: Besonderheit Berufsfreiheit
Grundsätzlich kann eine Kündigung aber auch dann zulässig sein, wenn der Vermieter die Wohnung nur teilweise für eigene Wohnzwecke, in erster Linie aber deshalb nutzen will, um dort seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Hier besteht nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB ein berechtigtes Interesse auf Seiten des Vermieters, die Kündigung vorzunehmen. Nur darf dann der Kündigungsgrund nicht „Eigenbedarf“ lauten. Vielmehr muss sich der Besitzer dann auf die Berufsfreiheit beziehen bzw. berufen.
Der Grund dafür findet sich in unserer Verfassung: im Grundgesetz. Der Wunsch des Vermieters, seine Wohnung überwiegend für das eigene Gewerbe zu nutzen, ist demnach nach Art. 12 GG grundsätzlich zu beachten. Denn der Artikel schützt u.a. die Berufsfreiheit eines jeden („Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz […] frei zu wählen“). Der Gesetzgeber sagt, dass das allgemeine, berechtigte Interesse des Vermieters (nach § 573 Abs. 1 BGB) an der Ausübung seiner Tätigkeit – z.B. an einem frei wählbaren Ort wie der eigenen Wohnung – nicht geringer bewertet werden darf als sein in § 573 BGB geregelter Eigenbedarf.
Video: Mietrecht – Gesetzesänderung 2016
Kündigung Eigenbedarf: Strenge Regeln bei Inhalt und Form
Das Mietrecht definiert klar, was ein Kündigungsschreiben wegen Eigenbedarf inhaltlich aufweisen und was der Vermieter klar und deutlich benennen muss. Dabei waren die Richtlinien und Grundsätze bis vor ein paar Jahren sogar noch höher. Ein Urteil vom 06. Juli 2011durch den BGH sorgte aber dafür, dass die Anforderungen an die Begründung einer Kündigung nicht mehr ganz so hoch waren. Bis zu diesem Urteil, musste der Vermieter seine derzeitige und frühere Wohnsituation im Schreiben offenlegen. Dennoch ist es natürlich auch heute noch so, dass die Regeln hinsichtlich Inhalt und Form, unbedingt eingehalten werden müssen.
Die wichtigsten Voraussetzungen für ein rechtswirksames, gültiges Kündigungsschreiben sind:
- Klare Benennung: aus dem Schreiben muss eindeutig hervorgehen, für wen Eigenbedarf angemeldet wird. Vage und ungenaue Formulierungen können die Kündigung unwirksam machen. Beispiel: „Ich melde Eigenbedarf für meine Tochter an, die mit ihrem Freund zusammenziehen will.“ Die Formulierung ist klar und deutlich. Es wird ersichtlich, wer nach dem aktuellen Mieter in die Wohnung zieht. Nach einem BGH-Urteil vom 30.04.2014 ist es aber nicht nötig, dass der Name des Lebensgefährten genannt wird
- Nachvollziehbare Gründe: Der Eigentümer muss schlüssig und nachvollziehbar darlegen, warum er genau diese Wohnung benötigt. Hier sollte man ausführlich und nicht zu knapp begründen, denn an dieser Stelle verbergen sich oft entscheidende Stellen, sollte es später zu einem Gerichtsverfahren kommen. Zudem muss der Vermieter erklären, wieso er die Wohnung zu dem in der Kündigung benannten Datum benötigt
Video: Eigenbedarfskündigung – Schadenersatz bei vorgetäuschtem Eigenbedarf
Bei erfolgreichem Widerspruch – Vermieter droht Schadenersatz
Gemäß § 574 BGB, kann der Mieter nach einer Kündigung, gegen diese Widerspruch einlegen. Auch wenn dem Mieter am Ende nicht Recht gegeben wird, sorgt der Widerspruch zumindest dafür, dass der Gekündigte noch für eine gewisse Zeit in der Wohnung bleiben darf und das Mietverhältnis noch für eine genau festzulegende Zeit weiterbesteht. Hier wird das Recht derjenigen gestärkt, für die die Kündigung eine unverhältnismäßig große Härte bedeuten würde. Ein Beispiel: einer chronisch kranken Person wird gekündigt, für die die Suche einer neuen Wohnung mehr Zeit in Anspruch nehmen könnte als für einen Gesunden.
Aber ein Widerspruch gegen eine Eigenbedarfskündigung kann auch erfolgreich sein und komplett für ihre Unwirksamkeit sorgen. Stellt sich eine Kündigung wegen Eigenbedarf später als vorgetäuscht heraus, können dem Gekündigten sogar Schadensersatzansprüche zustehen, z.B. im Hinblick auf Umzugs- und Maklerkosten oder auch die höheren Kosten für die neue Wohnung. Die Kündigung ist übrigens auch dann unzulässig, wenn schon im Moment des Vertragsabschlusses klar ist, dass der Vermieter in naher Zukunft Eigenbedarf anmelden wird, dies aber dem Mieter nicht mitteilt (LG Lüneburg in einem Urteil vom 07. Dezember 2011).
Übrigens: Das Mietrecht besagt allgemein auch, dass die Kündigung nur dann rechtens ist, wenn der Um- bzw. Einzug des neuen Mieters dann auch wirklich verfolgt wird. Das entschied der BGH in einem Verfahren am 23. September 2015. Demnach reichen ungefähre Pläne und ungenaue Absichten sowie Angaben (z.B. irgendwann im Laufe des nächsten Jahren einziehen zu wollen) nicht für eine Kündigung.
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