Der Rippenfelltumor zählt nach einem Urteil des hessischen Landessoziallgerichts zu den Berufskrankheiten. Voraussetzung: die erkrankte Person wurde aus beruflichen Gründen gesundheitsschädlichen Einwirkungen ausgesetzt, die letztlich zur Krankheit führten. Was heißt das für gefährdete Berufsgruppen und wie ist die Gesetzeslage bei Berufskrankheiten?
Rippenfelltumor-Urteil: der Fall dahinter
Dem Urteil des 3. Senats des Landessozialgerichtes, ging der Tod eines ehemaligen Schlossers voraus, der – mit extrem großer Wahrscheinlichkeit – an Rippenfelltumor (Pleuramesotheliom) als Folge seiner beruflichen Tätigkeit, erkrankte. Die Richter urteilten, dass Pleuramesotheliome zu 70 bis 80 Prozent asbestinduziert ist. Das bedeutet, dass ein Rippenfelltumor zu 70 bis 80 Prozent auf Kontakt mit Asbest, zurückzuführen ist. Asbest als Auslöser einer Tumorerkrankung, bei denen die Aussichten für Patienten nicht günstig stehen.
Zum Hintergrund des Falls: ein ehemaliger Schlosser, der von 1948 bis 1993 in diesem Beruf gearbeitet hat, verstarb, nachdem 2011 ein Tumor in seinem Brustkorb diagnostiziert wurde. Während seiner Berufstätigkeit, arbeitete der Mann auch zeitweise als Elektriker. Bei beiden Beschäftigungen, sowohl als Schlosser als auch Elektriker, kam er öfter mit dem vor allem für die Lunge schädlichen Asbest in Berührung. So schnitt er z.B. Platten aus Asbest oder lötete Asbestbestände. Als bei dem Mann verstärkte Beschwerden im Brustkorb auftraten, suchte er zur Behandlung Lungen-Spezialisten auf. Die Diagnose der Ärzte: Ein Tumorbefall, in unmittelbarer Nähe zur Lunge.
Der Zustand des Mannes verschlechterte sich rasant, wenige Monate danach starb er. Die Möglichkeit eines asbestverursachten Tumors, erkannte die Berufsgenossenschaft daraufhin jedoch nicht an. Sie lehnte eine Anerkennung von Rippenfelltumor als Berufskrankheit, ab. Die Klärung des Tumorbilds war auch nicht zweifelsfrei möglich, da es keine Obduktion gab. Die Witwe des verstorbenen Patienten klagte dennoch gegen das Urteil.
Video: Erklärfilm – Berufskrankheiten – was ist das?
Gerichtsentscheidung: Rippenfelltumor ist Berufskrankheit
Die Richter des Landessozialgerichts gaben in ihrem Urteil der Klägerin Recht. Nach Auffassung der Richter, handle es sich im vorliegenden Fall des diagnostizierten Rippenfelltumors, um eine Berufskrankheit. Die Berufsgenossenschaft habe die Diagnose deshalb auch so als Berufskrankheit anzuerkennen.
Vor allem zwei Gründe sprachen in den Augen der Richter letztlich für ihre Entscheidung. Zum einen handelt es sich bei der Diagnose „Mesotheliom“ um eine Ausschlussdiagnose, u.a. auf Grundlage von Angaben der zuständigen Klinik zur Tumor-Erkrankung. Ausschlussdiagnose heißt, dass alle anderen möglichen Diagnosen mit ähnlichem Krankheitsbild und vergleichbaren Symptomen ausgeschlossen werden können, bis letztlich eben nur noch die Ausschlussdiagnose übrig bleibt. Außerdem zeigten Erfahrungen und andere Krankheitsfälle, dass viele Jahrzehnte bis zur Entstehung eines Rippenfelltumors vergehen können. Im Durchschnitt bis zu 30 Jahre, nachdem Patienten Kontakt mit dem lebensgefährlichen Mineral hatten. Aber noch zwei weitere Aspekte waren beim Urteil des Gerichts wichtig.
Berufskrankheit Rippenfelltumor: juristischer Vollbeweis erbracht
Normalerweise kann eine Diagnose nur dann als Berufskrankheit anerkannt werden, wenn zweifelsfrei bewiesen ist, dass die jeweilige Krankheit besteht (Vollbeweis). Eine Besonderheit ist der juristische Vollbeweis. Muss dieser erbracht werden, bedarf es keiner absoluten, hundertprozentigen Sicherheit.
Für den betreffenden Fall heißt das: es lag mit medizinischer Sicherheit und damit allgemein hoher Wahrscheinlichkeit, ein „Mesotheliom der Kategorie B“ vor. Aus diesem Grund war der Vollbeweis für die Korrektheit der Diagnose „Pleuramesotheliom“, erbracht. Als Begründung führte das Gericht an, dass der juristische Vollbeweis „bei der Feststellung medizinischer Tatsachen, nicht über den aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft hinausgehen“ könne. Heißt übersetzt: die Richter können eine Tatsache oder einen Sachverhalt (in diesem Fall eine Diagnose) nicht mit hundertprozentiger Sicherheit bestätigen, wenn nicht einmal die Fachleute, also die Mediziner, dazu in der Lage sind.
Und zuletzt erklärte das Gericht noch, dass es in dem betreffenden Fall zu einem „Beweisnotstand“ gekommen sei, verursacht durch die Berufsgenossenschaft. Denn diese habe die Hinterbliebenen des Verstorbenen nicht ausreichend darüber aufgeklärt, dass eine Obduktion durchzuführen für eine eindeutige Diagnose eminent wichtig sei. Das alles habe letztlich dann dazu geführt, dass an den Nachweis des Rippenfelltumors, „weniger hohe Anforderungen anzulegen“ seien, so das Urteil der Richter (AZ L 3 U 124/14). Die Revision von Seiten der Berufsgenossenschaft, wurde abgelehnt. Damit stand endgültig fest, dass Rippenfelltumor als Berufskrankheit anerkannt wurde.
Video: Spätfolge: Krebs durch Asbest
Rippenfelltumor: Allgemeines
Als medizinisch gesichert gilt: Asbest ist einer der Hauptauslöser vom Pleuramesotheliom. Die Gefahr für die Lunge wird erhöht, wenn man darüber hinaus auch noch mit anderen Schadstoffen in Berührung kommt. Da es durchschnittlich 30 Jahre dauert, bis die Krankheit ausbricht, können sich viele Patienten auch nicht mehr an den Moment oder die Ereignisse erinnern, bei denen sie mit dem lebensgefährlichen Mineral in Kontakt gekommen sind. Das macht eine Rückverfolgung oft schwierig.
Hinsichtlich der Möglichkeiten zur Behandlung, kann auf die „bewährten“ Krebs-Therapien zurückgegriffen werden: Chemotherapie, chirurgische Behandlungen und die Bestrahlung. Da die Diagnose oft erst sehr spät und zu einem Zeitpunkt gestellt wird, an dem der Rippenfelltumor bereits stark gewachsen ist, stehen die Heilungschancen eher ungünstig. Je später der Pleuramesotheliom erkannt wird, desto schlechter stehen die Erfolgschancen der Therapie. Eine erfolgreiche Behandlung ist dann schwierig. Schon im vergangenen Jahrzehnt waren die Summen, die die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) für Rippenfelltumor-Erkrankungen ausgab, ungemein hoch: vor rund zehn Jahren lagen die Ausgaben bei fast 150 Millionen Euro – jährlich. Besonders vom Rippenfelltumor betroffene Berufsgruppen sind in erster Linie Schlosser, Schweißer, Dachdecker und Bauarbeiter. Immerhin: seit 1993 darf in Deutschland kein Asbest mehr produziert und verwendet werden. Seit 2005 gibt es ein EU-weites Verbot.
Welche Krankheiten gelten als Berufskrankheiten?
Das Rippenfelltumor-Urteil hat gezeigt: die Erkrankung des verstorbenen Schlossers stand in unmittelbarem Beziehung zu dessen beruflicher Tätigkeit. Dabei handelt es sich auch um die wichtigste Voraussetzung dafür, eine Krankheit als Berufskrankheit anzuerkennen. Das Bundesarbeitsministerium hat definiert, dass Berufskrankheiten solche Erkrankungen sind, die „Versicherte durch ihre berufliche Tätigkeit erleiden“. Zudem muss die Krankheit in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) gelistet sein. Die Liste steht online als pdf-Dokument zum Download bereit.
Vor allem diejenigen Menschen sind betroffen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit mit bestimmten Chemikalien, anderen Schadstoffen sowie in erheblichem Maße mit Lärm und Staub in Kontakt kommen. Auch wer physikalischen Einwirkungen wie Druck und Vibrationen ausgesetzt ist oder schwere Lasten zu tragen hat, ist gefährdet. Ob eine Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt werden kann, wird von den gesetzlichen Unfallversicherungs-trägern entschieden.
Prüfung auf Berufskrankheit: So läuft das Verfahren ab
In aller Regel läuft das Verfahren auf Anerkennung einer Berufskrankheit, egal ob es sich z.B. um eine Krebsart wie den Rippenfelltumor oder Schädigungen der Sinnenorgane handelt, wie folgt ab:
- zunächst muss der Verdacht an den Unfallversicherungsträger gemeldet werden (z.B. vom Betriebsarzt, nachdem er eine erste Diagnose gestellt hat oder von den betroffenen Patienten selbst)
- dann wird die Arbeitsvorgeschichte des Betroffenen ermittelt um zu prüfen, in wieweit Beruf und schädigende Einwirkungen miteinander in Kontakt stehen könnten. Die wichtigste Frage: welchen Belastungen ist der Betroffene bei seiner Arbeit ausgesetzt?
- nachdem die Krankheitsvorgeschichte ermittelt wurde, muss das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden (bei den Unfallversicherern arbeiten keine ärztlichen Gutachter. Die Aufträge werden daher an externe Fachmediziner vergeben)
- Wichtig: Der Versicherungsträger muss den Versicherten mindestens drei Gutachter vorschlagen, und: die Versicherten können selbst Vorschläge zum Gutachter machen. Voraussetzung: die fachliche Qualifikation der Ärzte muss vorliegen (ein Orthopäde wird kaum in der Lage sein, ein Rippenfelltumor zu diagnostizieren)
- bevor es dann zur einer Entscheidung kommt, müssen auch noch die Gewerbeärzte mit ins Boot geholt werden – sie vertreten die staatlichen Arbeitsschutzbehörden
Nach all diesen Schritten erfolgt letztlich die Entscheidung. Es ist der Unfallversicherungsträger der darüber entscheidet, ob eine Berufskrankheit vorliegt oder nicht. Es besteht die Möglichkeit, im Verlauf eines Monats gegen die Entscheidung Widerspruch einzulegen.
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