Die Datenschutzbestimmungen wurden in den letzten Jahren verschärft. Besonders für Online-Händler ist es wichtig, über die Details informiert zu sein, denn Verstöße können teuer werden. Aber wie ist das eigentlich mit der Werbung bei Bestandskunden?
Ohne Zustimmung läuft nichts mehr: Oder?
Spätestens seit dem Ärger mit der DSGVO, wovon viele Betreiber von Online-Shops und Webseiten ein Liedchen singen können, ist klar, dass für so gut wie alles eine Zustimmung erforderlich ist, wenn es um die Nutzung von Daten geht. Doch ganz so einfach ist das mit der Zustimmung gar nicht.
Nehmen wir ein Beispiel, das im Onlinehandel besonders oft vorkommt: Ein Unternehmen möchte Werbe-E-Mails verschicken. Dass dies gegenüber Neukunden nicht ohne Weiteres gestattet ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Bei Bestandskunden sieht das ein wenig anders aus. Hier spricht prinzipiell nichts gegen Werbung per Mail, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Grundlage hierfür ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Dieses sieht nach §7 Abs. 3 eine Ausnahmeregelung vor, derzufolge Bestandskunden Werbung per E-Mail erhalten dürfen, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
- Die E-Mail-Adresse des Kunden wurde dem Werbetreibenden durch den Verkauf einer Ware bzw. Dienstleistung bekannt. Das kann auch der Abschluss einer Mitgliedschaft sein.
- Es werden Waren oder Dienstleistungen beworben, die ausschließlich vom Werbenden angeboten werden (also nicht von Dritten) und einen ähnlichen Charakter haben wie die ursprünglich gegenüber dem Kunden erbrachte Erstleistung.
- Es muss bei jeder neuen Verwendung wieder einen klar erkennbaren Hinweis auf das Widerspruchsrecht des Kunden geben.
- Der Kunde darf nicht bereits einer weiteren Bewerbung per E-Mail widersprochen haben.
Liegen diese Voraussetzungen alle vor, ist keine gesonderte Zustimmung für die E-Mail-Werbung erforderlich. Der Gesetzgeber legt allerdings Wert darauf, dass nur solche Produkte und Dienstleistungen beworben werden dürfen, die der ursprünglich vom Kunden bezahlten Leistung ähneln und aus dem Sortiment des Anbieters stammen. Dazu zählen im Bedarfsfall auch ergänzende Produkte oder Zubehör.
Erlaubt wäre also beispielsweise, wenn ein Mobilfunk-Händler nach dem Kauf eines Smartphones dem Kunden in einer E-Mail weiteres Zubehör zu dem Telefon anbietet, etwa Halterungen fürs Auto oder eine passende Schutzhülle. Nicht erlaubt wäre hingegen das Bewerben einer Nähmaschine oder eines Rasenmähers, wenn diese nicht zum typischen Sortiment des Händlers gehören.
Besonders bei der Ähnlichkeit der Händlerleistung ist Vorsicht geboten, denn die Direktwerbung bei Bestandskunden wird von den Gerichten nur unter der engen Auslegung dieser Vorschrift gestattet. Im Zweifel sollten Online-Händler lieber die gesonderte Erlaubnis des Kunden einholen, wenn sich die Werbung auf ein anderes oder sehr viel breiteres Sortiment bezieht.
Video: Erklärvideo – Gibt es gesetzliche Regelungen zur Datennutzung für Werbezwecke?
Auch Dienstleistungen sind davon betroffen
Im Online-Handel geht es meist um die Bewerbung von konkreten Waren. Bei reinen Dienstleistungen wird die gesetzliche Vorschrift aber ähnlich ausgelegt. Schlagzeilen machte beispielsweise das Urteil des OLG München, das darüber zu entscheiden hatte, ob ein Dating-Portal einem Mitglied Werbung per E-Mail zusenden durfte, obwohl keine ausdrückliche Einwilligung für die Zusendung von Werbung eingeholt wurde.
Das Portal berief sich auf die obige Ausnahmeregelung. Die Richter schlossen sich dieser Sichtweise an. Auch ein kostenfrei registriertes Mitglied, das keine konkrete Einwilligung für Werbemails erteilt hat, muss damit rechnen, dass ihm das Datingportal Werbung für Bestandskunden zusendet. Wichtig ist, dass die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind, was das OLG München im strittigen Fall bejahte (Az.: 29 U 2799/17, OLG München, Link: https://www.online-und-recht.de/urteile/E-Mail-Werbung-fuer-aehnliche-Waren-eines-Dating-Portals-Oberlandesgericht-M%C3%BCnchen-20180215/ ).
Was ist mit anderen Werbekanälen und Anrufen?
Die Werbung bei Bestandskunden ist nicht erst seit der Existenz von E-Mails ein Ärgernis für viele Verbraucher. Besonders Werbeanrufe können sehr unangenehm sein, weswegen der Gesetzgeber auch hier enge Grenzen gesetzt hat. Dass sich zahlreiche Werbetreibende davon nicht beeindrucken lassen und dennoch immer wieder unzulässige Werbeanrufe durchführen, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es für Händler und andere Gewerbetreibende teuer werden kann, diese Vorschriften zu ignorieren.
Manchmal glaubt man als Werbetreibender sogar, richtig zu handeln, weil man eine vermeintlich gültige Einwilligungserklärung des Kunden eingeholt hat. Hierzu hatte das Landgericht Berlin im Jahr 2016 einen Fall zu entscheiden. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale, nachdem eine Krankenkasse nach deren Meinung unzulässig vorgegangen war.
Ungültige Einwilligungserklärung
Im vorliegenden Fall hatte eine Krankenkasse Werbeflyer auf einer Informationsveranstaltung verteilt. Wenn sich Interessenten mit ihrem Namen und der Adresse auf dem Flyer eintrugen, konnten sie von der Krankenkasse ein kostenloses Werbegeschenk erhalten. Außerdem enthielt der Flyer einen Hinweis mit dem Wortlaut:
„Ja, ich bin mit Telefonanrufen durch [die Krankenkasse]aus Gründen der Information über ihre Leistungen einverstanden.“
Außerdem enthielt der Abschnitt ein leeres Kästchen mit dem Hinweis, dieses bitte anzukreuzen. Weiter unten sollte der Interessent den Flyer unterschreiben.
Die Krankenkasse ging davon aus, damit allen Anforderungen genügt zu haben. Die Wettbewerbszentrale sah das anders und zog vor Gericht, weil ihrer Ansicht nach die Krankenkasse mit dem Flyer gegen § 67b SGB X verstoße. Dieser Paragraf regelt die Speicherung, Veränderung, Nutzung und Übermittlung von Sozialdaten.
Die Beanstandungen bezogen sich auf die folgenden Punkte:
- Die Betroffenen wurden weder über den konkreten Zweck der Datenverarbeitung noch über die Folgen einer Nichtabgabe der Einwilligungserklärung informiert.
- Der Hinweis wies nicht die erforderliche optische Hervorhebung auf.
- Betroffene erhielten keinen Hinweis auf das Recht zum Widerruf der Einwilligung
Das Landgericht Berlin schloss sich der Klage an und urteilte, dass Betroffene durch den auf dem Flyer abgedruckten Hinweis nicht ausreichend über den Zweck der vorgesehenen Datennutzung aufgeklärt wurden. Zudem genüge auch die drucktechnische Gestaltung nicht den gesetzlichen Anforderungen, da keine deutliche optische Hervorhebung der Einwilligungserklärung vorgenommen wurde. Für Betroffene habe dies zur Folge, dass sie die erforderliche Unterschrift sowohl auf das kostenlose Werbegeschenk als auch auf die Einwilligung zur Telefonwerbung beziehen konnten.
Zudem sei unklar, ob das Gratisprodukt nur in Kombination mit der Einwilligung zur Telefonwerbung erhalten werden könne. Da auch eine Belehrung über das Widerrufsrecht auf dem Flyer fehlte, sah das Gericht die Einwilligung insgesamt als unwirksam an, weil nicht die Voraussetzungen gemäß §67b Abs.2, S.4, SGB X sowie §28 Abs.4 BDSG erfüllt seien.
Um eine wirksame Einwilligung zu erhalten, hätte die Krankenkasse eine Variante vorlegen müssen, die mindestens die folgenden Voraussetzungen enthält:
- Exakte Angaben über den vorgesehenen Nutzungszweck
- Optische Hervorhebung der Einwilligungserklärung, falls diese gemeinsam mit anderen Erklärungen (hier: Zusendung des Gratisprodukts) abgegeben werden soll.
- Hinweis auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung zur Datennutzung für Werbezwecke (dieser Punkt gilt nur, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls erforderlich ist, was im vorliegenden Fall durch das Gericht bejaht wurde).
- Klarer Hinweis auf die Möglichkeit, die Einwilligung zur Datennutzung für Werbezwecke zu widerrufen.
Das Urteil erging durch das Landgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 16 O 446/15. Es zeigt vor allem eines deutlich auf: Auch bei bereits älteren Bestimmungen zum Datenschutz (und die in diesem Fall angewandten Vorschriften waren wirklich nicht neu) muss man auf die Details achten. Die Verantwortlichen bei der Krankenkasse gingen davon aus, mit dem Kästchen zum Ankreuzen eine gültige Erlaubnis zur Datennutzung für Werbezwecke eingeholt zu haben. Das war jedoch nicht der Fall.
Video: EU Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – so vermeiden Sie Abmahnungen!
Auch das Wettbewerbsrecht darf man nicht vergessen
Häufig wird nur auf den Datenschutz geblickt, wenn es um die Verwendung personenbezogener Daten geht. Doch belästigende Werbung kann aus wettbewerbsrechtlicher Sicht unzulässig sein, obwohl sie datenschutzrechtlich zulässig wäre – und umgekehrt. Speziell bei der Beschaffung von Adress- und Personendaten sollte sichergestellt sein, dass man sich nicht aus unzulässigen Quellen bedient. Eine Einwilligung zur Briefwerbung etwa ist nicht notwendig, wenn sogenannte rechtmäßig erhobene Listendaten verwendet werden.
Dazu gehören beispielsweise Daten, die aus allgemein zugänglichen Adress-, Rufnummern-, Branchen- oder anderen vergleichbaren Verzeichnissen stammen (z. B. Gelbe Seiten). Ausdrücklich nicht als öffentlich zugängliche Verzeichnisse im Sinne von §28 Abs.3 S.2 Nr.1 BDSG anzusehen, sind in der Regel Internetseiten oder deren Impressum. Ausnahme sind natürlich Online-Verzeichnisse wie Online-Telefonbücher oder -Branchenbücher.
Fazit: Augen auf beim Datenschutz
Bestandskunden dürfen häufig auch dann Werbung erhalten, wenn keine gesonderte Einwilligung eingeholt wurde, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt werden. Vorsicht ist geboten, wenn der Werbende bei Art und Inhalt der Werbung von seinen üblichen Dienstleistungen abweicht.
Auch bei der Einholung einer Einwilligung muss man sorgfältig auf die Einhaltung der Vorschriften achten, damit sie auch wirklich gültig ist. Im Zweifel sollte man einen Datenschutzbeauftragten zu Rate ziehen, der sich mit allen relevanten Vorschriften auskennt.
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