Alle Gewerbetreibenden sind nach handels- und steuerrechtlichen Vorschriften dazu verpflichtet, Geschäftsunterlagen über eine bestimmte Zeitdauer hin aufzubewahren. Die Länge dieses Zeitraums wird als Aufbewahrungsfrist bezeichnet.
Warum gibt es die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen?
Wenn geschäftliche Unterlagen aufbewahrt werden, kann man im Bedarfsfall auf sie zurückgreifen. Das kann zum Beispiel bei Rechtsstreitigkeiten der Fall sein, wenn das Gericht die Vorlegung der Geschäftsbücher verlangt. Auch bei Betriebsprüfungen müssen Unternehmen in der Lage sein, auf Dokumente zuzugreifen, die bereits abgeschlossene Geschäften zum Inhalt haben. Ein abgeschlossener Geschäftsvorgang bleibt also eventuell nicht immer abgeschlossen.
Vernichtet man Geschäftsunterlagen trotz gesetzlich vorgeschriebener Aufbewahrungsfristen, resultiert das in einer negativen Beweisnot. Auch im Rahmen der Produkthaftung muss eventuell auf Geschäftsunterlagen zurückgegriffen werden. Es ist also wichtig, sich an die vorgeschriebenen Regelungen bezüglich Aufbewahrungsfristen von Dokumenten zu halten.
Wo sind die verschiedenen Aufbewahrungsfristen zu finden und wer muss sie beachten?
Die für alle Gewerbetreibende geltenden Aufbewahrungsfristen finden sich im Steuerrecht und im Handelsrecht. Im Bereich des Handelsrechts legt das Handelsgesetzbuch (HGB) nach §§ 238, 257, 261 HGB als spezielleres BGB die Aufbewahrungsfristen für Kaufleute fest, im Steuerrecht enthält die Abgabenordnung oder auch AO nach § 147 die entsprechenden Vorschriften zu den gesetzlichen Aufbewahrungsfristen. Daneben finden sich noch weitere Regelungen zu Aufbewahrungsfristen in verschiedenen anderen Gesetzen und Verordnungen wie zum Beispiel:
- Umsatzsteuergesetz (UStG)
- Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)
- Steuerrecht (EStG, KStG und GewStG)
- Zivilrecht (BGB und ZPO)
- Aktiengesetz (AktG)
- Banken- und Versicherungsgesetz
- Röntgenverordnung (RöV)
- Verordnung über Entsorgungsfachbetriebe (EfbV)
- Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)
- Beamtenrecht
Die Dauer der Aufbewahrungsfristen sind in § 257 Abs. 4 HGB und § 147 AO und § 14b UStG geregelt. Es kann zwischen einer Aufbewahrungsfrist von sechs und zehn Jahren unterschieden werden:
Aufbewahrungsfrist von sechs Jahren
Diese Frist ist nach § 257 Abs. 1 Nr. 2 und 3 HGB für alle Handelsbriefe, Wiedergaben wie Kopien und Durchschriften dieser Handelsbriefe, Geschäftspapiere und alle sonstigen Unterlagen mit kaufmännischer und steuerlicher Bedeutung gültig.
Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren
Die Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren betrifft nach § 257 Abs. 1 Nr. 1 und 4 HGB alle Personalakten, Handelsbücher, Inventare, Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse sowie nach § 325 Abs. 2a HGB auch Einzelabschlüsse. Ebenfalls in diese Kategorie fallen Konzernabschlüsse, Konzernlageberichte sowie Arbeitsanweisungen und Organisationsunterlagen, welche zum Verständnis betreffender Dokumente nötig sind. Nach § 238 Abs. 1 HGB müssen auch Buchungsbelege zehn Jahre lang aufbewahrt werden.
Neben den Regelungen in AO und HGB finden sich auch in Schreiben des Bundesfinanzministeriums wichtige Informationen zu Aufbewahrungsfristen. Dazu gehören vor allem die folgenden Schreiben:
- “Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme“ (GoBS) vom 7. November
- 1995“Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen” (GDPdU) vom 16. Juli 2001
Da die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen Teil der steuerrechtlichen und handelsrechtlichen Aufzeichnungs- und Buchführungspflicht sind, muss ausnahmslos jeder Gewerbetreibende, der in Deutschland laut Gesetzt zum Führen von Büchern und Aufzeichnungen verpflichtet ist, auch die Aufbewahrungsfristen einhalten.
Was muss aufbewahrt werden?
Zu viel aufzubewahren, weil man wichtige Unterlagen nicht ausversehen entsorgen will, ist nicht empfehlenswert. Man sollte sich am besten genau informieren, welche Dokumente aufgehoben werden müssen.
Die steuerlich aufbewahrungspflichtigen Unterlagen sind in § 147 der Abgabenordnung gelistet. Grundsätzlich gilt: Sämtliche Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, müssen verwahrt und dürfen somit nicht vernichtet werden. Dazu gehören unter anderem die folgenden Unterlagen:
- Bücher und Aufzeichnungen
- Inventare
- Jahresabschlüsse
- Eröffnungsbilanzen (plus alle zum Verständnis dieser Unterlagen erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen)
- Empfangene Handels- und Geschäftsbriefe und Kopien der versandten Handels- und Geschäftsbriefe
- Buchungsbelege
- Unterlagen für eine Zollanmeldung
- Sonstige Unterlagen (wenn sie für die Besteuerung von Bedeutung sind)
§257 Abs. 1 HGB verpflichtet alle Kaufleute, die folgenden Unterlagen geordnet und lesbar aufzubewahren:
- Handelsbücher, Inventare, Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse, Einzelabschlüsse, Lageberichte, Konzernabschlüsse, Konzernlageberichte sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen
- Alle empfangenen Handelsbriefe plus Kopien der versandten Handelsbriefe
- Belege für Buchungen in den zu führenden Geschäftsbüchern (Buchungsbelege)
Erkennbar ist, dass HGB und AO größtenteils miteinander übereinstimmen, wenn es darum geht, welche Unterlagen aufbewahrt werden müssen. Tabellen können dabei helfen, die Aufbewahrungsfrist für ein bestimmtes Dokument schnell in Erfahrung zu bringen. Eine solche Tabelle findet man zum Beispiel hier: http://www.reisswolf.de/uploads/aktenvernichtung-aufbewahrungfristen.pdf
Über die Aufbewahrungsform
Der Gesetzgeber schreibt vor, dass alle Unterlagen zehn Jahre lesbar sein müssen. Falls diese Lesbarkeit der Originaldokumente nicht sichergestellt werden kann wie zum Beispiel bei Thermopapier, müssen sie kopiert werden. Die Kopie muss dann mit dem Original zusammen aufbewahrt werden. Neben der Lesbarkeit ist auch die Anordnung der Unterlagen wichtig.
Alle Aufbewahrungsformen müssen so geordnet sein, dass sie den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entsprechen. Liegen Unterlagen elektronisch vor, gelten die sogenannten „Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme“ und die „Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen“.
Wichtig:
Elektronisch entstandene Daten und Dokumente müssen stets in elektronischer Form aufbewahrt werden und dabei maschinell auswertbar sein. Es ist also nicht zulässig, die Daten einfach auszudrucken und die elektronischen Originaldaten dann zu löschen.
Weitere wichtige Informationen und Vorschriften zu dem Thema „Aufbewahrung elektronische Daten“ findet man im §147 Abs. 2 der Abgabenordnung, §14 und §14b des Umsatzsteuergesetzes sowie im Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 2. Juli 2012.
Der Aufbewahrungsort
Alle Unterlagen, die den gesetzlichen Aufbewahrungsfristen in Deutschland unterliegen, müssen auch in Deutschland aufbewahrt werden. Was bei Unterlagen auf Papier ganz selbstverständlich erscheint, kann bei elektronisch gespeicherten Daten durchaus problematisch sein, weil in diesem Falle der Aufbewahrungsort nicht ohne weiteres definiert werden kann.
Grundsätzlich gilt aber: Alle Unterlagen müssen uneingeschränkt zugänglich sein.
Wann beginnt die Aufbewahrungsfrist und wann endet sie?
Die Aufbewahrungsfrist beginnt grundsätzlich mit dem Ende des Kalenderjahres, in welchem Änderungen oder Neuanlagen der Unterlagen erfolgt sind. Bei Mietverträgen oder auch Sozialversicherungsverträgen beginnt die Aufbewahrungsfrist erst nach dem Ablauf des Vertrags. Das Ende der Aufbewahrungsfrist liegt am Ende des Jahres, in dem die Frist abläuft.
Das bedeutet: Unterlagen dürfen keinesfalls direkt nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist vernichtet werden.
Video: Aufbewahrungsfristen von Dokumenten
Urteile zur gesetzlichen Aufbewahrungsfristen
Die deutschen Gerichte beschäftigen sich regelmäßig mit den gesetzlichen Aufbewahrungsfristen. Dabei kann es um einen simplen Verstoß, um die Frage nach der Produkthaftung oder um die Aufbewahrungspflicht von Geschäftspost gehen. Hier folgen drei Urteile zur gesetzlichen Aufbewahrungspflicht und – frist:
- Das Oberlandesgericht Hamm beschäftigte sich im Jahr 2000 mit der Produkthaftung für ein fehlerhaftes Medizinprodukt (Aktenzeichen: 3 U 133/99).Im vorliegenden Fall ging es um einen fehlerhaften Katheter. Das Gericht entschied, dass die Beweislast dafür, dass das konkrete Produkt nicht fehlerfrei war, beim Vertreiber des besagten Produktes liegt, wenn der seinerseits die Aufbewahrungsfrist für das Produkt (hier ein Katheter) nicht einhält und damit seine eigene Aufbewahrungspflicht verletzt.
- Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz urteilte im März 2014, dass eine nicht ordnungsgemäße Buchführung das Finanzamt zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt (Aktenzeichen: 5 K 1227/13). Dies gilt auch dann, wenn im Rahmen einer Betriebsprüfung festgestellt wird, dass der Steuerpflichtige steuerrechtlich relevante Unterlagen entgegen der gesetzlich festgelegten Aufbewahrungsfristen bereits entsorgt hat oder diese aus irgendeinem Grund nicht mehr aufzufinden sind.Im konkreten Fall war es einem Fahrlehrer nicht möglich, im Rahmen einer Betriebsprüfung Belege oder auch Rechnungen vorzulegen. Da die Unterlagen nach der branchenspezifischen Aufzeichnungspflicht einer Aufbewahrungsfrist von sechs Jahren unterlagen und trotz dieser Frist nicht einsehbar waren, erklärte das Finanzgericht die Steuerschätzung des Finanzamtes für gerechtfertigt.
- Das Landesgericht Darmstadt entschied Ende 2013, dass Geschäftspost für einen gewerblichen Mieter nach Ende des Mietverhältnisses in die Aufbewahrungspflicht des Vermieters fällt (Aktenzeichen: 25 T 138/13). Nach dem betreffenden Urteil ist der Vermieter nicht dazu berechtigt, die Sendungen ohne Nachfrage beim bisherigen Mieter einfach in einen öffentlichen Briefkasten zu werfen.Im vorliegenden Fall erhielt eine Anwältin nach ihrem Auszug aus den gemieteten Kanzleiräumen weiterhin Geschäftspost unter dieser Adresse.Mieterin und Vermieterin waren nicht im Guten auseinandergegangen, trotzdem hatte die Vermieterin die Anwältin über die erhaltene Geschäftspost informiert.Daraufhin wollten Mitarbeiter der ehemaligen Mieterin die Post abholen – ohne Erfolg.Zusätzlich verfasste die ehemalige Vermieterin eine Mail, in welcher sie die Anwältin aufforderte, sie nicht weiter zu belästigen.Die Anwältin versuchte daraufhin, mit einer einstweiligen Verfügung vom Amtsgericht an ihre Post zu kommen. Die Vermieterin wiedersprach ihrerseits der Verfügung mit der Begründung, dass sie die Briefe bereits in einen öffentlichen Briefkasten geworfen habe.Angekommen sind die Briefe an der neuen Geschäftsadresse nicht.Die Anwältin zog ihren Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Der Vermieterin wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt, woraufhin sie sofort eine Beschwerde erhob. Das Gericht urteilte zu Gunsten der Anwältin.Der Vermieterin seien zu Recht die Kosten des Verfahrens auferlegt worden, da sie die Pflicht hatte, die vorgefundene Geschäftspost an ihre ehemalige Mieterin auszuhändigen. Diese Pflicht ergibt sich laut Urteil gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben als nachwirkende Pflicht aus dem zuvor beendeten Mietvertrag.
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