Ausbeutung, Lohndumping, Unsicherheit: In der Wahrnehmung der meisten Deutschen hat Zeitarbeit kein wirklich gutes Image. Doch was genau lässt sog. „Personalvermittler“ in der Öffentlichkeit häufig so negativ dastehen? Zeitarbeit und Krank? Bekommt man da dann überhaupt eine Lohnfortzahlung?
Der Begriff „Zeitarbeit“
Zeitarbeit – vielfach auch als Leiharbeit, Personalleasing oder Arbeitnehmerüberlassung bezeichnet – ist aus der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken. Nicht nur große Unternehmen nutzen diese Dienstleistungsform der Leiharbeit bzw. zeitlich befristeten Arbeitsnehmerüberlassung bei Personalengpässen, sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen greifen immer öfter bei Personalausfällen bei Krankheit und Urlaub oder einem vorübergehend erhöhten Auftragsaufkommen auf den Einsatz von Zeitarbeitern zurück.
Geringe Entlohnung und oft wechselnde Einsatzorte
Erfahrungsgemäß liegen Stundenlöhne einer Zeitarbeitskraft in Deutschland etwa 20-30% unter denen der üblicherweise in einer deutschen Firma gezahlten Arbeitslöhne. Dies wird meist damit begründet, dass die Zeitarbeitsfirmen von den Stundenverrechnungssätzen, die diese wiederum ihren Kunden bzw. dem Entleiher in Rechnung stellen, neben den üblichen Sozialabgaben auch einen gewissen Verwaltungsaufwand bestreiten müssen. Daneben ist als weiteres Argument zu berücksichtigen, dass z.B. bei einem fehlenden Auftrag und damit einer fehlenden Einsatzmöglichkeit des Zeitarbeiters dieser – den Ablauf der Probezeit vorausgesetzt – trotzdem weiterhin regulär sein Gehalt bezieht. Das Gleiche gilt auch für die Lohnfortzahlungskosten während des Urlaubes und im Krankheitsfall, die bei der Arbeitnehmerüberlassung nicht vom Kunden, sondern (ab der fünften Arbeitswoche) von der Zeitarbeitsfirma getragen werden.
Es liegt in der Natur der Sache, dass der „Zeitarbeiter“ in mehreren Betrieben, eingesetzt wird. Wie oft der Einsatzort wechselt, hängt regelmäßig von der Art der Tätigkeit und dem Kundenauftrag ab. Hierbei ist jedoch kritisch anzumerken, dass eine zeitliche Mindestdauer für die Überlassung an einen Kundenbetrieb gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Dies machen sich in jüngster Vergangenheit immer mehr Unternehmen zu eigen, indem sie ihre Mitarbeiter und deren mobile Bereitschaft dement-sprechend ausnutzen. Dies gilt meist auch für entsprechende „Kurzprojekte“, bei denen die Firma des Kunden einen Arbeitnehmer anfordert, diesen jedoch oftmals nach Ablauf des Projekts – auch aufgrund einer zu kurzen Einarbeitungszeit – bei sich nicht weiterbeschäftigt.
Besonders problematisch ist dies auch bei sog. „Leiharbeitern“, die erst ab der siebten Woche der Beschäftigung regulär Zuschlagszahlungen für anfallende Mehrarbeit bekommen können.
Welche Tätigkeiten ein Zeitarbeitnehmer ausüben muss, richtet sich in erster Linie – wie in jedem anderen Arbeitsverhältnis auch – nach dem zwischen den Arbeitsvertragsparteien geschlossenen Arbeitsvertrag. Wird beispielsweise ein Bauingenieur als Helfer eingestellt, so ist er auch für einfache Hilfstätigkeiten, z. B. als Produktionshelfer, einsetzbar. Ist er hingegen als Bauingenieur eingestellt, wäre eine solche Einsatzmöglichkeit nicht zumutbar. Aber auch hierbei gibt es immer wieder sog. „schwarze Schafe“, die sich im Grenzbereich bewegen beziehungsweise die hier an manchen Stellen noch nicht klaren gesetzlichen Regelungen im Arbeitsrecht zu Ihren Vorteilen ausnutzen.
Verstecke Vertragsklauseln und zu wenig stattfindende Kontrollen
Wie mobil ein Zeitarbeiter sein muss, richtet sich nach dem jeweiligen Arbeitsvertrag. Bestimmt der Vertrag etwa die Erbringung der Arbeitsleistung im Raum Frankfurt, ist der Mitarbeiter nicht verpflichtet, einen Einsatz in München anzunehmen. Die meisten Arbeitsverträge sogenannter Zeitarbeitsfirmen beinhalten allerdings sogenannte Öffnungsklauseln, mit denen sich der Arbeitgeber vorbehält, den Arbeitnehmer unter Umständen auch an einem anderen Ort einzusetzen.
Nach jüngsten Angaben der Bundesregierung hat die Zahl der Zeitarbeitsfirmen, die die Rechte Ihrer Arbeitnehmer beschneiden (z.B. Umgehung entsprechender vertraglicher Klauseln, falsche Anwendung von Tarifverträgen) in den letzten Jahren stark zugenommen.
Besonders auffällig in diesem Zusammenhang ist die Zahl der Bußgeldverfahren wegen Verstößen gegen die Leiharbeitsregelungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, die sich gemäß „focus money“ und „Süddeutsche Zeitung“ von 510 im Jahr 2005 auf 2139 im Jahr 2008 erhöht hat.
Demgegenüber ging die Zahl der Prüfungen in den Zeitarbeitsfirmen vor Ort 2009 leicht auf 1429 zurück. „Bezogen auf die Zahl der Zeitarbeitsunternehmen sank die Prüfquote damit von 9,02 Prozent in 2008 auf 8,58 Prozent in 2009“, so das Arbeitsministerium.
Von Mitte Juli soll die Bundesagentur jedoch 25 zusätzliche Prüfer erhalten, die befristet bis Ende 20XX die Zeitarbeitsfirmen genauer beobachten sollen. „Die Zahl der Prüfer solle damit auf etwa 100 erhöht werden.“
Krank während der Zeitarbeit: Bekommt man immer eine volle Lohnfortzahlung?
Als eine weitere häufig auftretende Verfehlung vieler Zeitarbeitsunternehmen nennt die Bundesregierung zudem die Tatsache, dass viele Firmen bei Krankheit den Lohn teilweise nicht weiterzahlen, Sozialversicherungsbeiträge oder Steuern unzureichend oder verspätet abgeben oder Urlaubsansprüche und Urlaubsgeld sowie die Auszahlung von Überstunden nicht vollständig gewähren.
Allgemein gilt hierzu: Zeitarbeit heißt offiziell Arbeitnehmerüberlassung und ist in Deutschland durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt. Dieses garantiert die arbeitsrechtliche Gleichstellung von Leiharbeitern und fest angestellten Mitarbeitern. Zeitarbeiter sind demnach ganz „normale“ Arbeitnehmer, die wie jeder andere Angestellte Anspruch auf einen Arbeitsvertrag mit sämtlichen üblichen Leistungen, wie z. B. bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, gesetzlicher Kündigungsschutz, etc. haben.
In Bezug auf den Urlaubsanspruch steht Mitarbeitern bei Zeitarbeitsunternehmen ein jährlicher Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz zu. Dieser beträgt 24 Wochentage im Jahr. Je nach Tarifvertrag gelten in vielen Fällen auch höhere Ansprüche. „So regelt der Tarifvertrag zwischen DGB und dem Arbeitgeberverband BAP, dass bereits im ersten Beschäftigungsjahr ein Anspruch auf 24 Arbeitstage besteht. Das entspricht knapp fünf Kalenderwochen.“(Vgl. www.urlaubsgesetz.com)
Bezüglich Ausfallzeiten aufgrund von Krankheit gilt wie auch sonst allgemein im Arbeitsrecht üblich: Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Tage an, müssen Arbeitnehmer die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber nachweisen. Bei längerer Krankheit haben Zeitarbeits-mitarbeiter genau wie alle anderen Arbeitnehmer zunächst Anspruch auf eine Lohnfortzahlung von sechs Wochen (durch den Entleihbetrieb) und anschließend auf das Krankengeld der Krankenkasse.
Ein neu eingestellter Arbeitnehmer hat in den ersten vier Wochen („sog. Wartezeit“) der Beschäftigung keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Gemäß http://www.lohn-info.de/ erhält der Arbeitnehmer, wenn er nach Beginn der Beschäftigung, aber vor Ablauf einer vierwöchigen Wartefrist erkrankt, Krankengeld von der Krankenkasse bis zum Ablauf der Wartezeit. Dies ist im Einzelnen im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), § 4 geregelt.
Wichtig ist hierbei zu erwähnen: „Besteht die Arbeitsunfähigkeit über das Ende der vierten Woche der Beschäftigung hinaus, zahlt der Arbeitgeber vom Beginn der fünften Woche an das Entgelt für bis zu sechs Wochen fort. Die Wartezeit verkürzt also den Fortzahlungsanspruch nicht.“ (https://www.lwk-niedersachsen.de/)
Einzig bei der Berechnung der Höhe der Entgeltfortzahlung in den ersten vier Wochen gibt es zwei unterschiedliche Berechnungsmöglichkeiten. Die eine ist tariflich, die andere ist gesetzlich in § 4 Abs.1 EntgFG geregelt.An dieser Stelle gilt es darauf hinzuweisen, dass bei der Arbeitnehmern von Zeitarbeitsunternehmen, die in den ersten vier Wochen erkranken, nicht automatisch der volle, im Arbeitsvertrag festgelegte Stundenlohn ausgezahlt wird.
„Dies hängt damit zusammen, ob ein Tarifvertrag Ihrem Arbeitsvertrag zugrunde liegt oder in Ihrer Region für allgemein verbindlich erklärt wurde und einzelvertraglich eingebunden wurde. Diese Informationen finden Sie meist bereits zu Beginn des Vertrages“, so Anwalt Michael Kühn.
Es lässt sich also abschließend festhalten:
Arbeitnehmer von Zeitarbeitsfirmen haben genau dieselben Rechte wie Arbeitnehmer von anderen Unternehmen. Einzig die Höhe des Krankengeldes kann – je nach Tarifvertrag – variieren.
Auch wenn die Rechte in Bezug auf Lohnfortzahlung grundsätzlich gleich sind, stellt sich für viele Arbeitnehmer schon die Frage nach der wirklichen Gleichberechtigung von Kollegen, die einen „regulären“ Vertrag besitzen und solchen, die auf Leihbasis tätig sind. Manche Zeitarbeiter stört es natürlich nicht, andere wünschen sich mehr Sicherheit durch eine Festanstellung.
Eine längere Erkrankung ist natürlich für keinen Arbeitnehmer schön, aber eventuell sind gerade Zeitarbeiter mitunter höheren psychischen Belastungen ausgesetzt und erkranken dementsprechend häufiger. Selbst wenn die Zeitarbeits-Firma faire Löhne zahlt, fehlt vielen Kollegen die letzte Gewissheit auf eine dauerhafte Beschäftigung. Ziel vieler ist dann auch eine ständige Anstellung bei einer Firma, am liebsten für viele Jahre, wenn nicht für immer.
Jeder Arbeitnehmer sollte über seine Rechten und Pflichten aufgeklärt sein. Das gilt natürlich auch für die Arbeitnehmer auf Zeit. Wer unsicher oder im Unklaren ist, sollte stets fachlichen Rat hinzuziehen.
Im Zweifel sollten Sie sich also bei einem Anwalt für Arbeitsrecht über bestimmte Sachstände und Ausgestaltungen in Ihrem Arbeitsvertrag nochmals vorab informieren. Allgemeine Informationen und Formulare für Leiharbeiter finden Sie auf der Homepage der Agentur für Arbeit (www.arbeitsagentur.de).
Rechtliche Fragen rund um das Thema Arbeitsrecht, Vertragsrecht für Arbeitnehmer einer Zeitarbeit beantwortet Ihnen zudem Anwalt Michael Kühn unter: http://www.123recht.net/Rechtsanwalt-Rechtsanwalt-Michael-Kuehn-__l106770.html
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