Aktenvernichter gehören zur Grundausstattung vieler Büros und Amtsstuben. Überall geht es darum, Dokumente und Unterlagen zu zerschreddern. Durch das Zerschneiden in kleinste Teile sollen die Verwertung von Informationen, die in nicht mehr benötigten Akten enthalten sind, durch unbefugte Dritte unmöglich gemacht werden. Leider erfüllen Aktenvernichter nicht nur diesen Zweck, sondern bilden auch eine potentielle Gefahrenquelle für Unfälle ein Thema, das die Rechtsprechung bereits mehrfach beschäftigt hat.
Haftung des Betreibers Urteil aus Brandenburg
Haftungsfragen stellen sich dabei nicht nur für den Hersteller, sondern auch für den Betreiber eines Aktenvernichters. Das musste zum Beispiel das Bauamt Schlaubetal im Bundesland Brandenburg erfahren. Am 15. Juli 2002 hatte ein Großvater mit seinem damals dreijährigen Enkel das Amt aufgesucht. In einem Augenblick der Unaufmerksamkeit konnte das Kind seine Hand in den Schlitz des dort aufgestellten Aktenvernichters stecken. Das Schneidwerk setzte sich dadurch in Gang, so dass drei Finger der Kinderhand verstümmelt wurden. Die Eltern verklagten daraufhin das Bauamt.
Das zuständige Landgericht Frankfurt/Oder verurteilte das Amt am 11. November 2007 zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 11.500 Euro ( Az. 11 O 280/05 ). Außerdem wurde die Behörde dazu verpflichtet, auch für künftige Vorfälle dieser Art zu haften. Die von dem Bauamt zunächst in Aussicht genommene Berufung beim Oberlandesgericht Brandenburg fand letztlich nicht statt, weil das Gericht die Zurückweisung beschlossen hatte. Dadurch wurde das Urteil des Landgerichtes Frankfurt/Oder rechtskräftig.
Die Richter des Landgerichtes hatten in ihrer Urteilsbegründung darauf hingewiesen, dass der Aktenvernichter in einem Bereich gestanden habe, in dem Publikumsverkehr herrschte. Von seinem Äußeren sei das Gerät dabei nicht ohne weiteres als Gefahrenquelle erkennbar gewesen, außerdem war seine Positionierung derart, dass es einem Besucher nicht sofort auffiel. Die Tatsache, dass der Aktenvernichter das GS Siegel trug – GS steht für „geprüfte Sicherheit„, entbindet den Betreiber grundsätzlich nicht von der Pflicht, geeignete Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. In der Betriebsanleitung des Aktenvernichters hatte der Hersteller ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zweckwidriges Hineinfassen in das Gerät zu Verletzungen führen könne und Kinder daher fernzuhalten seien. Das Bauamt hätte seiner Sorgfaltspflicht genügen können, indem es den Aktenvernichter in einem Bereich aufstellte, der nur für Mitarbeiter zugänglich ist oder durch Ausschalten des Gerätes während der Öffnungszeiten.
Haftung des Herstellers OLG Frankfurt und BGH
Der Fall aus Brandenburg ist nicht der einzige in diesem Zusammenhang. Bereits 1999 hatte der Bundesgerichtshof in einem ähnlichen Fall ein Revisionsbegehren des Herstellers zurückgewiesen ( BGH, 18.05.1999 VI ZR 192/98 ). Auch hier hatte ein kleines Kind in einen Aktenvernichter gefasst, als es sich in einer Nachbarwohnung aufhielt, und sich dadurch beträchtliche Fingerverletzungen zugezogen. Das zuständige Oberlandesgericht Frankfurt erkannte auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 25.000 Euro durch den Hersteller.
Das Gericht stellte zwar fest, dass das Gerät alle einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften erfüllte und auch die nötigen Prüfbescheinigungen vorhanden waren. Der Hersteller habe hier aber gegen seine Instruktionspflicht verstoßen, weil er nicht explizit vor der Verletzungsgefahr bei unsachgemäßem Hineinfassen in das Gerät warnte zum
Beispiel durch ein entsprechendes Piktogramm auf dem Aktenvernichter. In diesem Fall sah das Gericht die Haftpflicht beim Hersteller, nicht beim Betreiber. Dieser Auffassung schloss sich der BGH mit seiner Zurückweisung der Berufung an.
Auswirkungen der Gefährdungshaftung
Beide Urteile machen deutlich, wie weitreichend die Haftpflicht sein kann, die sich aus der sogenannten Gefährdungshaftung ergibt. Ob sie den Hersteller oder den Nutzer eines Gutes trifft, hängt dabei von den konkreten Umständen im Einzelfall ab.
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