Bereits vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Cannabis im Jahr 1994 war die Frage der Legalisierung immer wieder Gegenstand aufgeregter Debatten von Befürwortern und Gegnern. Wie wahrscheinlich ist es aber, dass das Kiffen auch in Deutschland erlaubt wird?
1994 lag die Legalisierung von Cannabis in Deutschland noch in weiter Ferne
Einen Meilenstein im Kampf um die Legalisierung von Cannabis in Deutschland sahen die Hanf-Enthusiasten bereits vor über zwanzig Jahren. Damals ging es um die Strafbarkeit bei geringfügigen Cannabis-Verstößen und die Frage, ob das Verbot von Cannabis nach dem BtMG gegen das verfassungsmäßig garantierte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verstoße. In seiner Entscheidung stellte das Gericht fest, dass es kein verfassungsmäßiges Recht auf Rausch geben könne. Ebenfalls wurde verneint, dass der Gleichheitsgrundsatz gebiete, alle Drogen gleichermaßen zuzulassen oder zu verbieten, die eine ähnliche Schädlichkeit zueinander aufweisen.
Der Kläger hatte argumentiert, dass Nikotin und Alkohol (obwohl teilweise deutlich schädlicher als Cannabis) erlaubt seien und deshalb die Legalisierung von Hanf logische Folge sein müsse. Hier berief sich das Gericht unter anderem auf die Tatsache, dass der überwiegende Konsum von Alkohol in Mengen geschehe, die nicht zu Rauschzuständen führten, was bei Cannabis nicht zu kontrollieren sei.
Bei Nikotin gebe es überhaupt keinen Rausch im klassischen Sinne. Von daher sei ein Vergleich nicht zulässig. Allerdings sahen die Richter auch die Verhältnismäßigkeit bei der Strafverfolgung bei Verstößen gegen das Verbot von Cannabis infrage gestellt. In der Folge wurde in der juristischen Praxis der gelegentliche Eigenverbrauch geringer Mengen von Cannabis nicht mehr als Straftat verfolgt.
Die erhoffte Legalisierung war dies jedoch nicht. Außerdem gab es immer wieder Diskussionen darum, was man unter einer geringen Menge Cannabis zu verstehen habe, da auch der Wirkstoffgehalt bei den einzelnen Produkten stark schwanken kann. Daher kann sich die geringe Menge nicht auf das Gesamtgewicht der (sichergestellten) Substanz beziehen, sondern auf das Gewicht des eigentlichen Wirkstoffs (im Falle von Cannbis von THC, das für den Großteil der psychoaktiven Wirkung verantwortlich ist).
Eine genaue Auswertung ist nur durch eine Laboruntersuchung möglich. Es reicht also nicht, dass die Polizei das Gras abwiegt. Als nicht geringe Menge gilt ein Wirkstoffanteil von 7,5 Gramm THC. Der Besitz einer solchen Menge ist theoretisch gleichbedeutend mit einem Verbrechenstatbestand, der mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr geahndet wird. Für die Urteilsbegründung ist neben der Wirkstoffkonzentration aber auch die Gesamtmenge der beschlagnahmten Drogen maßgeblich.
Die Zahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren wird in den Kriminalstatistiken des Bundeskriminalamts für Deutschland wie folgt ausgewiesen (Jahr / Zahl der Cannabisdelikte):
- 1991 – 51.615
- 1994 – 58.785
- 1998 – 109.863
- 2001 – 131.836
- 2004 – 174.679
- 2008 – 132.519
- 2012 – 134.739
- 2016 – 183.015
2017 kam die Legalisierung von Cannabis für Schmerzpatienten in Deutschland
Da Cannabis auch eine mittlerweile nachgewiesene medizinische Wirkung bei vielen chronischen Erkrankungen, Schmerzzuständen und Nebenwirkungen von Therapien (z. B. im Rahmen von Krebserkrankungen) besitzt, hat der Gesetzgeber sich zu einer teilweisen Legalisierung für Schmerzpatienten in Deutschland durchgerungen. Maßgeblich dafür ist sicherlich auch die Entwicklung in vielen anderen Ländern, in denen Cannabis längst vollständig oder teilweise legalisiert ist. Sogar in den USA gibt es verschiedene Bundesstaaten, in denen der Anbau, Verkauf und Konsum von Cannabisprodukten einer vollständigen Legalisierung unterzogen wurde.
In Deutschland ging die Politik im Jahr 2017 einen zwar bemerkenswerten, aber immer noch recht kleinen Schritt. Seitdem ist es möglich, dass Schmerzpatienten Cannabis vom Arzt auf Rezept verordnet bekommen. Krankenkassen übernehmen nach einer Genehmigung im Einzelfall die Kosten für legal angebautes Cannabis, das ausschließlich über Apotheken bezogen werden darf. Damit ist Gras von der reinen Droge zum anerkannten Arzneimittel geworden, wenngleich es verschreibungspflichtig bleibt.
Video: Doku – CANNABIS ANBAU LEGAL IN 2016 | Cannabis anbau leicht gemacht
Beispiele für die legale Anwendung im medizinischen Bereich sind unter anderem folgende Erkrankungen:
- Krebs im fortgeschrittenen Stadium
- Nebenwirkungen der Chemotherapie bei der Krebstherapie
- Multiple Sklerose
- Begleiterscheinungen von HIV/AIDS
- Gelenkerkrankungen wie Arthrose, Rheuma etc.
- Parkinson
- sowie andere chronische Erkrankungen, die auf die Behandlung mit Cannabis ansprechen.
Trotz dieser teilweisen Legalisierung ist es jedoch alles andere als einfach, als Patient an legales Hanf zu kommen. Das hat unter anderem damit zu tun, dass viele Ärzte die Verschreibung ablehnen und die Krankenkassen mit der Genehmigung zurückhaltend sind. Übernimmt die Kasse nicht die Kosten, sind die finanziellen Belastungen sehr hoch, denn das in der Apotheke verkaufte Gras ist extrem teuer.
In der Folge greifen viele Patienten auf illegale Quellen zurück, was sie wiederum in Konflikt mit dem Gesetz bringt und zudem Risiken wegen der Unberechenbarkeit der Qualität des Haschischs von der Straße birgt. Legaler Anbau von Hanf mit relevantem THC-Gehalt ist erst seit 2019 möglich, wobei die Lizenzen vom Staat vergeben werden und der Anbau streng kontrolliert wird. In Einzelfällen haben Patienten zudem Sondergenehmigungen vor Gericht erkämpft, um ihren persönlichen Bedarf durch Eigenanbau decken zu dürfen.
Bedeutet eine künftige Legalisierung auch die Freigabe des Anbaus von Cannabis?
Selbst wenn man also ein Rezept hat oder falls Cannabis künftig vollständig in Deutschland legalisiert werden sollte, bedeutet das nicht automatisch, dass auch jeder dazu befugt sein wird, sein eigenes Gras im Garten anzubauen. Ein Problem beim privaten Anbau ist, dass der Staat den Wirkstoffgehalt und die allgemeine Qualität der Cannabis-Sorten nicht überprüfen kann. Häufig ist die Wirkung von THC bei unter Kunstlicht angebautem Gras sehr viel stärker als beim natürlichen Wachstum auf dem freien Feld. Außerdem sind die Gesundheitsgefahren des reinen Genuss-Konsums (also dem traditionellen Kiffen) noch immer nicht vollständig erforscht, weswegen eine Legalisierung weiterhin von vielen Politikern abgelehnt wird.
Immerhin soll die Drogenpolitik nach dem Willen der meisten Parteien auf den Prüfstand kommen. Während SPD, Grüne, Linke und auch die FDP eine kontrollierte Legalisierung favorisieren, sprechen sich große Teile von CDU und CSU weiterhin gegen eine Freigabe in Deutschland aus. Mittlerweile sind aber immer mehr Erfahrungswerte aus anderen Ländern verfügbar, die nicht zuletzt die wirtschaftliche Seite eines legalen Cannabis-Anbaus zeigen. So wurden seit der Freigabe im US-Bundesstaat Colorado aus den anfänglichen „Kifferplantagen“ milliardenschwere Industrien, die natürlich auch Steuern zahlen.
Bei einer Legalisierung mit kontrollierter Abgabe würde zudem die Qualitätskontrolle erleichtert, wie es bei anderen Arznei-, Genuss- und Lebensmitteln ebenfalls der Fall ist. Der Schwarzmarkt hätte keine Grundlage mehr und die Gefahr von gefährlichen Nebenwirkungen durch Verunreinigungen wäre für die Konsumenten gebannt. Zudem würde eine weitgehende Entkriminalisierung dafür sorgen, dass Nutzer von Cannabis nicht mehr zwangsläufig mit der Drogenszene in Kontakt kommen, wo sie häufig zum Konsum von härteren Substanzen verführt werden.
Als wissenschaftlich gesichert gilt inzwischen übrigens die Tatsache, dass Cannabis ein weitaus kleineres Suchtrisiko mit sich bringt als der Konsum von Alkohol oder Nikotinprodukten. Nicht zuletzt würden Polizei, Strafverfolgungsbehörden und Gerichte stark entlastet und könnten sich wichtigeren Aufgaben widmen. Dennoch bleibt THC ein psychoaktiver Stoff, der mit Vorsicht zu genießen ist. Bei bestimmten Vorerkrankungen (insbesondere psychischen Erkrankungen) können Nebenwirkungen und unerwünschte Symptome auftreten. Und die latente Suchtgefahr ist trotz der Relativierungen der Befürworter nicht wegzudiskutieren.
Video: Ist Cannabis ernten legal? | Galileo | ProSieben
Fazit: Eine komplette Legalisierung von Cannabis in Deutschland ist nicht in Sicht
In Deutschland mahlen die Mühlen bekanntlich immer etwas langsamer. Während es in den Niederlanden oder in Teilen der USA längst gängige Praxis ist, tut sich die deutsche Politik mit einer Reform in Sachen Cannabis schwer. Die Legalisierung für Schmerzpatienten war ein erster wichtiger Schritt, sie ist jedoch nach Meinung vieler Betroffener noch immer viel zu umständlich.
Vor allem die hohen Preise bei Nichtübernahme der Kosten durch die Krankenkassen machen vielen Patienten zu schaffen. Um zu vermeiden, dass sich diese und andere Konsumenten über den illegalen Drogenmarkt mit ihrem Cannabis versorgen oder den verbotenen Eigenanbau riskieren, scheint eine kontrollierte Legalisierung mit staatlich geprüften Anbaukriterien geboten zu sein. Die Gefahren der Droge sollten trotz der Relativierung im Vergleich zu Alkohol und Nikotin jedoch nicht unterschätzt werden. Insbesondere bei psychischen Erkrankungen kann Cannabis eine schädliche Wirkung entfalten. Und wie das Bundesverfassungsgericht bereits 1994 feststellte: Ein „Recht auf Rausch“ gibt es laut Grundgesetz nicht.
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