Die nachträgliche Rechnungskorrektur, die einen rückwirkenden Abzug der Vorsteuer ermöglicht, war in Deutschland bislang meist mit zinsstarken Nachzahlungen verbunden. Seit einem Urteil des EuGH von 2016, sieht die Lage anders aus. Eine nachträgliche Rechnungsberichtigung ist möglich. Es dürfen keine Nachteile bei Formfehlern entstehen.
Rechnungskorrektur: Rückwirkender Abzug der Vorsteuer erlaubt
Zwei aktuelle Urteile des EuGH legen fest, dass eine nachträgliche Rechnungskorrektur zulässig ist. Die Folge: der rückwirkende Abzug der Vorsteuer ist damit erlaubt (Az. C-516/14 und C-518/14). Die Richter begründeten ihr Urteil damit, dass die Bestimmungen der deutschen Finanzverwaltung in dieser Sache bisher gegen EU-Recht verstießen. In Deutschland verhinderten bis zu diesem Urteil, die Gesetze eine rückwirkende Rechnungskorrektur. Nur durch zusätzlichen Mehraufwand oder unnötige Mehrkosten, war dies bisher möglich.
Denn gemäß der bisherigen Auffassung der deutschen Finanzverwaltung, wirkte eine Rechnungskorrektur nicht zurück. Die Folge waren oft drastische Nachzahlungszinsen. Schließlich erheben die Finanzämter bis heute für die Kürzung der Vorsteuer, Jahr für Jahr Nachzahlungszinsen von sechs Prozent.
Zum Hintergrund: Aus § 15 UStG ergibt sich für jeden Unternehmer das Recht, die Vorsteuer von der individuellen Umsatzsteuerschuld abzuziehen. Der Gesetzgeber räumt dem Unternehmer damit die Möglichkeit ein, jene Güter und Produkte ohne Umsatzsteuerbelastung zu erwerben, die dieser für seine (unternehmerische) Tätigkeit benötigt. Von Umsatzsteuer spricht man bei Verkäufen, also immer wenn für eine Leistung oder Lieferung von Unternehmen, Entgelt anfällt. Die Umsatzsteuer besteuert dieses Entgelt. Und dann gibt es die Vorsteuer: das sind Steuerbeträge, die der Unternehmer an den Lieferanten abzuführen hat. Immer wenn der Freiberufler oder das Unternehmen also eine Rechnung bekommt, enthalten diese die sogenannte Vorsteuer.
Video: Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen (FG) -Umsatzsteuer:
Rechnungskorrektur Vorsteuer: Erstattung der Umsatzsteuer
Jeder Unternehmer oder auch Freiberufler weiß: Rechnungen müssen formal korrekt sein und ganz bestimmte Informationen enthalten. So müssen die Rechnungen, die man für erbrachte Leistungen selbst schreibt, genau den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Die Pflicht auf Korrektheit besteht aber natürlich auch für Rechnungen, die von eigenen Lieferanten und Dienstleistern kommen. Diese Dokumente sind für die Vorsteuer wichtig. Denn aus diesen Rechnungen kann man die Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen. Nun auch nachträglich, wenn die Rechnung Fehler enthielt. Dank des Urteils des EuGH, der nun auch die rückwirkende Rechnungskorrektur erlaubt.
Übersetzt bedeutet dies, dass das Finanzamt einem die Umsatzsteuer (Vorsteuer) erstattet. Wurde die Vorsteuer beim Finanzamt geltend gemacht, so muss im Endergebnis nur die Differenz zwischen Umsatzsteuer und Vorsteuer gezahlt werden. Doch was ist eigentlich Sinn und Zweck dieser neuen Regelung, die einem der EuGH mit der „verspäteten“ Rechnungskorrektur gewährt? Damit soll erreicht werden, dass die Umsatzsteuer erst den Endverbrauch besteuert. Und eben nicht schon früher ansetzt, nämlich bei der Wertschöpfung auf Unternehmerseite. Für den Unternehmer entfallen damit Steuernachteile, die bisher nicht selten aufgrund der Fehler anderer (des Rechnungsstellers) angefallen sind.
Doch wann darf man eigentlich die Vorsteuer abziehen? Gelten hierfür bestimmte Voraussetzungen?
Vorsteuer: wann darf diese abgezogen werden?
Wer Vorsteuer abziehen will, der muss das geltende Recht beachten sowie die entsprechenden Vorgaben einhalten:
- Die Vorsteuer muss sich aus den Rechnungen ergeben, die beim eigenen Unternehmen eingehen (Eingangsrechnung)
- diese Rechnungen müssen festgeschriebene Mindestangaben beinhalten (es gelten die Pflichtangaben nach § 14 Abs. 4 UStG. Diese sind recht umfangreich. U.a. auf der Website der Handelskammer Hamburg, sind sie aber sehr ausführlich und nachvollziehbar aufgelistet
- als Unternehmer muss man auch selbst umsatzsteuerpflichtig (der Jahresumsatz muss über 17 500 Euro liegen) sein. Umsatzsteuerliche Kleinunternehmer haben kein Recht auf Abzug der Vorsteuer.
- In diesen Fällen kann der Unternehmer die Steuerbeträge bei der Umsatzsteuervoranmeldung oder in der Umsatzsteuerjahreserklärung, als Vorsteuerabzug anmelden.
Aber: Der Abzug der Vorsteuer darf in bestimmten Fällen nicht geltend gemacht werden, z.B. wenn ein Produkt nicht für das Unternehmen sondern zu privaten Zwecken, erworben wird. Dann steht es in keinem Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit. Oder wenn die Firma nur umsatzsteuerfreie Umsätze hat. Auch in diesem Fall ist kein Vorsteuerabzug möglich. Dann greift auch das Recht auf nachträgliche Rechnungskorrektur nicht.
Rechnungskorrektur Erstrechnung: Anforderungen an die Erstrechnung
Neben den oben erwähnten Voraussetzungen für die Berechtigung des Vorsteuerabzugs, muss der Unternehmer immer auch Nachweise über die entsprechenden, bestellten Waren erbringen können, um die es auf der Rechnung geht. Also z.B. in Form von Lieferscheinen oder Kontoauszügen. Und auch eine Erstrechnung muss vorliegen. Ist sie fehlerhaft, so muss eine Rechnungsberichtiung erfolgen.
Was die formalen Mindestanforderungen an die Erstrechnung betrifft, orientiert sich der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil an der Rechtsprechung des EuGH (Az. V R 26/15).
Vier Informationen dürfen auf der Rechnung auf keinen Fall fehlen:
- Die Leistungsbeschreibung
- der Empfänger der Leistung
- das Entgelt
- die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer.
In Deutschland verhält es sich nun so, dass die Finanzverwaltung das Urteil des EuGH noch nicht umsetzt. Ein wichtiger Tipp daher für Unternehmer: wird der rückwirkende Abzug der Vorsteuer nach einer Rechnungskorrektur verweigert, sollte das Unternehmen die Möglichkeit eines Einspruchs gegen die Entscheidung prüfen. Oder eines Antrags auf Änderung mit dem Verweise auf die Urteile von BFH und EuGH. Ein abgelehnter Vorsteuerabzug, muss nicht die endgültige Entscheidung sein.
Was bei Rechnungskorrektur beachtet werden muss
Kam es zu Fehlern in der Rechnung und fehlen wichtige Daten sowie Angaben im Dokument, so gilt: der Rechnungssteller muss die Rechnungskorrektur vornehmen, nicht das Unternehmen, dass das Dokument empfängt. Die Rechnungskorrektur sollte immer mit Hilfe eines Ergänzungsdokuments vorgenommen werden. Das kann z.B. ein handelsübliches Standard-Schreiben sein, in dem sich aber klar und unmissverständlich auf die entsprechende, fehlerhafte Erstrechnung bezogen wird. Auf keinen Fall vergessen: die ursprüngliche Rechnungsnummer und das Rechnungsdatum.
Die Erstrechnung darf zudem nicht storniert werden. Schnell ist diese steuerlich nicht mehr von Bedeutung und es besteht die Gefahr, dass die Finanzbehörde die neue, „ausgebesserte“ Rechnung (bzw. das Ergänzungsdokument) als Erstrechnung betrachtet. Ein rückwirkender Abzug der Vorsteuer ist dann nicht mehr möglich.
Übrigens: die Frage, wie lange ein Unternehmen Zeit hat um eine Rechnungsberichtigung vorzunehmen, ist nicht geklärt. Diese Frage bzgl. der Möglichkeit der Rechnungskorrektur ließ der EuGH unbeantwortet. Eine „steuerzahlerfreundliche“ Regelung, werde aber angestrebt.
Gibt es auch einen Nachteil, der mit dem neuen Urteil zur nachträglichen Rechnungskorrektur verbunden ist? Hier lautet die Antwort ganz klar: ja, den gibt es. Denn künftig könnten Unternehmen laut EuGH von der Finanzverwaltung für den Vorsteuerabzug auf fehlerhaften Rechnungen, mit einem Bußgeld abgestraft werden. Nicht zu vergessen, der zeitliche Aufwand, der mit einer Rechnungsberichtigung verbunden ist. Das Wichtigste ist deshalb die regelmäßige, fundierte Prüfung des Dokuments auf Korrektheit und Vollständigkeit.
Rechnungskorrektur Vorsteuer: Erstrechnung wichtig
Die Erstrechnungen bzw. ursprünglichen Eingangsrechnungen sind auch deshalb wichtig, da die Finanzbehörden Einsicht in diese verlangen können. Vor allem dann, wenn bei der Umsatzsteuer-Voranmeldung hohe Vorsteuersummen geltend gemacht wurden. Fehlen auf den Rechnungen dann die Pflichtangaben (Leistungsempfänger, -beschreibung etc., s.o.), bekommt man die Vorsteuer nicht ausgezahlt.
Weiterhin stellen die Eingangsrechnungen (inklusive des Vorsteuerabzugs) meist einen wichtigen Prüfungsschwerpunkt dar, wenn es zu einer Betriebsprüfung kommt. Da Fehler bei den Pflichtangaben in der Rechnung alles andere als eine Seltenheit sind, verwundert dies nicht.
Wird ein Fehler im Rahmen der Prüfung entdeckt, wird der Vorsteuerabzug verwehrt – rückwirkend. Und das kann dann doppelt teuer werden. Das Finanzamt will zunächst die Vorsteuer wieder haben. Und dann müssen auch noch Zinsen gezahlt werden. Dabei können sich dann im Laufe der Zeit gut und gerne horrende Summen anhäufen, da Betriebs- und Umsatzsteuer-Sonderprüfungen auch erst viele Jahre später erfolgen können.
Deswegen nochmal: Die Überprüfung von Rechnungen ist ungemein wichtig, will man lästige, langwierige Rechnungskorrekturen vermeiden.
Video: Rechnungskorrektur bei der Umsatzsteuer I Steuertipps von Dr. Dreist & Nicklaus
Rechnungskorrektur: Vor der Korrektur steht die Prüfung
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Dieser Leitsatz gilt bei der Rechnungsprüfung umso mehr, denn so kann man durchaus der ein oder anderen, aufwendigen Rechnungskorrektur im Nachhinein, entgehen. Also: erst prüfen, dann bezahlen.
Ein Tipp: bei der Prüfung auf Korrektheit lohnt es, eine umfassende Checkliste bei sich zu haben, die die wichtigsten Punkte enthält. Das kann ungemein helfen, schließlich ist es schwer, immer alle wichtigen Punkte im Kopf zu haben.
Eine solche Checkliste enthält u.a. folgende Fragen, anhand derer man jede Rechnung durchgehen sollte:
- Ist das Ausstelldatum auf der Rechnung enthalten?
- hat die Rechnung eine Rechnungsnummer (fortlaufend)?
- enthält die Rechnung die Steuernummer? (alternativ tut‘s auch die
Umsatzsteuer-ID) - wurden evtl. gewährte Rabatte berücksichtigt?
- ist eine korrekte und klar nachvollziehbare Beschreibung der Leistung erfolgt?
- Sind der richtige Umsatzsteuersatz und damit auch der korrekte Steuerbetrag enthalten?
Eine gute Checklist mit diesen und allen weiteren, relevanten Angaben, findet sich in diesem PDF-Dokument.
Kann der Unternehmer alle relevanten Fragen mit „ja“ beantworten, ist die Eingangsrechnung ziemlich sicher korrekt. Ihrer Begleichung steht nun nichts mehr im Wege. Wenn einem bei der Kontrolle und Überprüfung Fehler aufgefallen sind, sollte man nicht zögern, umgehend den Rechnungssteller zu kontaktieren und ihn um die Ausbesserung bitten.
Eine Rechnungskorrektur VOR dem Begleichen und dem Verbuchen der Rechnung durchzuführen ist besser, als eine solche rückwirkend vornehmen zu müssen. Nicht der Korrektur bedürfen kleinere Grammatik- und Tippfehler. Hier muss man nicht aktiv werden, solange alle wichtigen Posten auf der Rechnung noch eindeutig zu erkennen sind und korrekt zugewiesen werden können.
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