Der Vorschlag der EU-Kommission zur Überarbeitung des Saatgutrechts, der am 5. Juli bekannt gegeben wurde, trifft auf heftige Ablehnung seitens Umwelt- und Landwirtschaftsverbände. Die Kritik fokussiert sich auf die Richtlinien bezüglich der Erzeugung und Vermarktung von Pflanzen- und Forstvermehrungsgut. Insbesondere das umfassende Recht am eigenen Saatgut und die Bewahrung der Kulturpflanzenvielfalt werden von diesen Verbänden in Frage gestellt.
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Nachhaltigkeitsgewinn: EU-Saatgutreform im Zeichen des Green Deals
Trotz der derzeitigen Diskussion unterstreichen Befürworter nachdrücklich die Notwendigkeit einer Überarbeitung des EU-Saatgutrechts, insbesondere im Rahmen des europäischen Green Deals und der Biodiversitätsstrategie. Vertreter der kleinbäuerlichen und ökologischen Landwirtschaft unterstützen diese Position vehement und betonen die dringende Anforderung einer Reform. In einem Brief, der Ende Mai veröffentlicht wurde, erhielt der Reformvorschlag die Unterstützung von 38 Organisationen aus den Bereichen Landwirtschaft und Saatgut. Sie setzen sich für die Absicherung der kleinbäuerlichen und ökologischen Saatgutsysteme ein und fordern eine Stärkung der Position dieser Akteure im Vergleich zur Agrarindustrie. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Förderung einer umfassenderen genetischen Kulturpflanzenvielfalt, die als entscheidend für die Klimaresilienz der Landwirtschaft angesehen wird. Es wird betont, dass Sorten, die an ökologische Anbausysteme angepasst sind, das Potenzial haben, den Pestizideinsatz zu reduzieren.
Reform setzt auf Technik: Saatgutrecht mit technischem Fokus
Der vorgelegte Gesetzesentwurf legt den Schwerpunkt auf technische Gesichtspunkte, was nicht den Erwartungen vieler Unterstützer entspricht. Die geltenden Rechtsvorschriften zur Saatgutproduktion und -vermarktung sollen im Wesentlichen unverändert bleiben. Kritiker fürchten, dass industrielle Hybridsorten gegenüber regionalen und traditionellen Sorten bevorzugt behandelt werden könnten. Der „Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt“ ruft die Mitgliedsstaaten der EU dazu auf, den vorgeschlagenen Reformvorschlag abzulehnen.
Kritik am Green Deal: Nachhaltigkeitsziele auf dem Prüfstand
Die Einbindung des Gesetzesentwurfs in den Green Deal wird von Kritikern als inkonsistent angesehen. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, bringt zum Ausdruck, dass die Präsentation der Gesetzesvorschläge als Förderung der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen von Pflanzen und Böden mit einem gewissen ironischen Unterton versehen ist.
Mehr Effizienz dank Technologie – Verwaltungsaufwand minimieren
Im Rahmen eines breiter angelegten Vorhabens zur nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen präsentiert die EU-Kommission diesen Reformvorschlag. Ziel ist die Minimierung bürokratischen Aufwands und die Effizienzsteigerung in den Registrierungs- und Zertifizierungssystemen. Die Zusammenführung von elf Richtlinien zu zwei soll Kohärenz und Synergien bewirken. Besonders betont wird der Schwerpunkt auf neuen gentechnischen und genomischen Verfahren (NGT), die die Gewinnung von Pflanzensorten revolutionieren sollen.
Saatgut: Streit um Priorität von Industrie- vs. Öko-Sorten
Im Rahmen der Diskussion stellt die EU-Kommission fest, dass die aktuellen Bestimmungen zur Zulassung von ökologischen und Erhaltungssorten zu restriktiv sind. Die Befürworter des Vorschlags begrüßen die geplanten Anpassungen, fordern jedoch klare Definitionen und eine einheitliche Regelung auf EU-Ebene. Die Kritiker warnen davor, dass die EU-Kommission vermehrt auf Bioingenieurtechnik setzt anstelle der Förderung regionaler Kultursortenvielfalt zur Anpassung an den Klimawandel.
Saatgutnutzung eingeschränkt: Debatte über Regulierung entfacht
Die Kritik von Magdalena Prieler, ARCHE NOAHs Repräsentantin, am Kommissionsentwurf ist umfassend. Sie unterstreicht, dass Agrochemie-Konzerne bereits einen erheblichen Anteil am globalen Saatgutmarkt besitzen. Die Besorgnis ist, dass der Vorschlag die Kontrolle über die Nahrungsmittelproduktion in die Hände globaler Unternehmen legen könnte. Trotz der Zusage, die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt zu gewährleisten, würden bürokratische Barrieren die Weitergabe von Saatgut erschweren. Kritiker insistieren auf der Einhaltung des Völkerrechts, welches Kleinbauern das Recht einräumt, landwirtschaftlich gewonnenes Saatgut zu nutzen, zu tauschen und zu verkaufen.
Abwägung der Reform: Trotz Zielen dominieren Bedenken
Trotz des erklärten Vorhabens, das EU-Saatgutrecht zu reformieren, werden erhebliche Bedenken laut. Vor allem wird befürchtet, dass industrielle Sorten die Vielfalt des Saatguts verdrängen könnten, was ökologische Risiken birgt. Diese Diskussion wirft fundamentale Fragen auf: Inwiefern passt der vorgeschlagene Ansatz zum übergeordneten Ziel des europäischen Green Deals und inwiefern werden die spezifischen Bedürfnisse der ökologischen und kleinbäuerlichen Landwirtschaft berücksichtigt? Die aufgebrachte Kritik verdeutlicht, dass der Weg zur Schaffung einer nachhaltigen Saatgutregulierung weiterhin kontrovers ist und umfassende Diskussionen erfordert.