Stpo, Gutachter und Sachverständiger: ehemaliger Professor der Uni Kiel als Rechtspsychologe bei Prozessen als Experte hinzugezogen.
In der Praxis kommt es häufiger vor, dass Behörden in Bezug auf bestimmte, für sie neue, allzu aktuelle und daher unbekannte Infos und Sachverhalte, auf das Fachwissen externer Experten angewiesen sind. Sie verfügen in dem jeweiligen Fachgebiet über besonderes Wissen und nicht selten über die nötige Erfahrung. Diese „Sachverständigen“ dienen in vielen Fällen auch Gerichten als Gutachter mit einschlägiger Expertise.
Wichtigste Aufgabe des Sachverständigen vor Gericht: Beurteilung der Schuldfähigkeit
Laut EuroExpert, der „European Organisation for Expert Associations“, ist dieser Sachverständige dabei stets eine „unabhängige, integre Person“, die „aufgrund eines Auftrages allgemeingültige Aussagen über einen ihm vorgelegten oder von ihm festgehaltenen Sachverhalt“ trifft. Der Sachverständige dient bei Gericht per Gesetz als unterstützende Kraft des Richters, also „Gehilfe“ der Gerichte, wie es in §71 Stpo steht. In diesem Paragraphen ist auch festgeschrieben, dass der Richter die Tätigkeit des Gutachters bzw. Sachverständigen anleitet. Nach der Stpo kann ein Sachverständiger u.a. bei Behörden, staatlichen Institutionen oder auch Bildungseinrichtungen, wie etwa der Universität Berlin, München oder Kiel, angestellt sein.
Vor Gericht können die Sachverständigen ganz allgemein aus den unterschiedlichsten Bereichen, Berufen und Fachrichtungen kommen. Bei Verfahren sind dabei die medizinischen und ärztlichen Sachverständigen besonders anzutreffen. In erster Linie wenn es darum geht, die Schuldfähigkeit eines Angeklagten zu beurteilen, die Glaubwürdigkeit von Zeugen einzuschätzen oder wenn psychische Erkrankungen beurteilt werden müssen, werden sie hinzugezogen. Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1993, entscheidet dabei aber stets allein die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht, wie viele Sachverständige hinzugezogen werden und aus welchen Fachrichtungen sie stammen.
Laut Stpo Sachverständiger der Gerichte: nach der Uni in den Gerichtssaal
Eine derjenigen wissenschaftlichen Disziplinen, aus denen man am häufigsten Sachverständige beruft, ist die Rechtspsychologie. Rechtspsychologen werden hinzugezogen, wenn Gerichte berechtigte Zweifel daran haben, ob Beschuldigte, Opfer oder Zeugen, die Wahrheit sagen. Getreu der Stpo wird ein Sachverständiger daher benötigt, um z.B. Ereignisse zum Tathergang wahrheitsgetreu aufzuklären, was der ehemalige Professor der Uni Kiel, Rechtspsychologe Dr. Günter Köhnken, wie kaum ein Zweiter aus eigener Erfahrung weiß.
Als Gutachter war er schon an vielen spektakulären, medienwirksamen Fällen beteiligt, so z.B. im Strafverfahren gegen den ehemaligen Wettermoderator Jörg Kachelmann. Köhnken half, bei vielen Aufsehen erregenden Verfahren der Vergangenheit der Wahrheit auf die Spur zu kommen, aber auch bei neuen und aktuellen Prozessen.
Kachelmann wurde am Ende vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Der ehemalige Professor an der Uni Kiel, trug mit seiner Tätigkeit als Gutachter, der im Sinne der Stpo handelte und seinen Pflichten nachkam, zur Wahrheitsfindung bei. Die Rechtspsychologie ist eng mit den Disziplinen Klinische Psychologie, Pädagogische Psychologie und Psychodiagnostik verbunden. Experten aus den letztgenannten Gebieten braucht man zumeist zwecks Beurteilung, ob ein Verurteilter das Gefängnis oder die Psychiatrie wieder verlassen darf.
Laut Stpo darf ein Sachverständiger während des Prozesses auch Experten aus anderen Bereichen zur Unterstützung hinzuziehen, so verfuhr der ehemalige Hochschullehrer der Uni Kiel im Laufe seiner „Gutachter-Karriere“ auch häufiger.
Der mit der Stpo bestens vertraute, vom Gericht berufene Köhnken, der viele Jahre Rechtspsychologie an der Uni Kiel lehrte, orientiert sich bei Befragungen stets nur am Inhalt der Zeugenaussage. Zuerst überprüft bzw. studiert er die Ermittlungsakte zum Fall und zum Zeugen genau, erst dann spricht er persönlich mit dem Zeugen.
Sind alle Fakten genannt, stellt er sich Fragen wie:
- kann der Zeuge – von seinen geistigen Fähigkeiten her – überhaupt eine solche Aussage erfinden?
- hat man ihn im Vorfeld von außen unter Druck gesetzt?
- wurde er von anderen, auch in den Fall verstrickte Personen vielleicht manipuliert?
- welche Gründe gäbe es, die eine Falschaussauge rechtfertigen?
Sachverständiger lehrte an Uni Kiel Rechtspsychologie
In der Stpo sind sie genau festgelegt, die Pflichten und Aufgaben, die ein Sachverständiger wahrzunehmen hat, dies lehrte Köhnken auch seinen Studenten an der Uni Kiel. Als erfahrener Rechtspsychologe, der als Teilnehmer vieler Verfahren und Prozesse aus erster Hand berichten konnte, vermittelte er sein Wissen in vielen Seminaren und Vorlesungen.
Wird ein Rechtspsychologe zu einem Prozess als Sachverständiger hinzugezogen, so bestehen seine Hauptaufgaben u.a. in diesen Tätigkeiten:
- Identifizierung von falschen Geständnissen (Aussagepsychologie)
- Erkennen der suggestiven Beeinflussung durch die Beschuldigen oder Zeugen
- inhaltliche Qualitätsanalyse von Aussagen
- Erkennen von Ursachen der (ganzen oder teilweisen) falschen Aussagen
Neue und aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung und Wissenschaft, werden dabei stets in die Lehre mit einbezogen. Wird gemäß Stpo ein Sachverständiger zu Hilfe gerufen, so geht natürlich jeder Experte vor Gericht anders vor, und so hat auch der ehemalige Mitarbeiter der Uni Kiel seine ganz eigene Methode. In einem Interview mit der Zeitschrift „Karriere-Spiegel“ gab er an, dass er sich z.B. bei Prüfung einer Zeugenaussage vor Gericht in keiner Weise an Dingen wie Gesichtsausdruck, Kopf- oder Handbewegungen orientiert.
Daran denken viele Menschen fälschlicherweise zuerst: einen vermeintlichen Lügner an Gestik, Mimik und seiner äußerlich zum Ausdruck gebrachten Nervosität erkennen zu können. Wissenschaftlich gibt es aber keine eindeutigen Belege zwischen Lügen sowie Gestik und Mimik des Betroffenen. Der Experte achtet vor allem auf den, (Inhalt) des Beschuldigten , nicht wie er etwas äußert.
Pflichten des Sachverständigen
Laut §75 Stpo muss der Sachverständige das Gutachten erstatten, dieses in der Hauptverhandlung vertreten (§245 I Stpo) und stets seine unparteiische Herangehensweise und Objektivität wahren (§74 I Stpo). Zudem hat er den Gutachtenauftrag nach §75 Stpo offiziell zu übernehmen – so er, wie etwa ein Universitäts-Professor, zur „Ausübung der betreffenden Fachdisziplin öffentlich bestellt ist“ oder der Sachverständige die „Disziplin öffentlich zum Erwerb ausübt“, wie etwa ein Arzt.
Zwar hat der vom Gericht bestellte Sachverständige seine Pflichten eigenmächtig und eigenverantwortlich zu erfüllen. Hilfskräfte und unterstützende, mit dem jeweiligen oder einem anderen Fachgebiet ebenso Vertraute, können aber – wie schon erwähnt – durchaus hinzugezogen werden. Dies legte das Bundesverfassungsgericht bereits 1984 in einem Urteil fest.
Wenn der Sachverständige den Verdacht hat, zu befangen an einen Fall heranzugehen, etwa weil er den Beschuldigten – wie sich im Nachhinein herausstellt – kennt – so können Staatsanwaltschaft und Angeklagter den jeweiligen Gutachter auch ablehnen. Dies bei einem Richter der Fall, und bei den Sachverständigen verhält es sich ganz genauso (§74 Stpo).
Wichtigste Voraussetzung für Aufnahme der Tätigkeit: vollständige Akteneinsicht
Wichtigste Voraussetzung, um mit seiner Tätigkeit zu beginnen und die Pflichten als Sachverständiger zu wahren ist es, dass der Sachverständige vom Gericht die erforderlichen Akten und Unterlagen zur Einsicht zur Verfügung gestellt bekommt (§80 II Stpo). Ist der Sachverständige nach Durchsicht der Akten z.B. der Ansicht, dass es weiterer Ermittlungen bzw. Vernehmungen bedarf um an wichtige Informationen und Einzelheiten zu gelangen, so kann er dies nach bei Gericht beantragen. §80 II besagt, dass der Sachverständige dabei die Möglichkeit hat, bei den Vernehmungen dabei zu sein. Auch darf er dann direkt Fragen an den Beschuldigten richten.
Bei Medizinern, die als Gutachter von einem Gericht bestellt bzw. beauftragt werden, sind wesentliche Vorgaben und Pflichten zudem in den jeweiligen Berufsordnungen der Bundesländer festgeschrieben. So legt §25 der Berufsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt etwa fest, dass Ärzte bei der Gutachten-Erstellung mit der nötigen Sorgfalt und nach bestem Wissen vorzugehen hätten.
Natürlich erhält der Sachverständige – ganz gleich ob Arzt, Biologe, Neurologe oder Psychiater – für seine Tätigkeiten als Sachverständiger eine Vergütung. Diese richtet sich seit 2004 nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG), genauer: nach den §§ 8 bis 14 JVEG.
Einen laut Stpo öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, wie es etwa der ehemalige Uni-Kiel-Professor Köhnken ist, gibt es übrigens nur in Deutschland. §36 der Gewerbeordnung bzw. §91 der Handwerksordnung bilden hier die gesetzliche Grundlage.
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